Fernheizwerk Dresden, Abbildung gemeinfrei
Kalte Winter gab es ja bekanntlich schon öfters, vor allem in Kirchen. Das empfand laut Geschichts-Narrativ auch König Albert von Sachsen, der sich 1895 nach seinem Einzug in der sächsischen Landeshauptstadt während des Gottesdienstes in der Dresdner Hofkirche den Allerwertesten abfror. Offenbar fröstelte es ihn dort ganz besonders an einem sonntäglichen Januarmorgen, als man sich dort wie in einer Eisgrotte fühlte.
Für ihn war es der willkommene Anlass, statt üblicher Kamine, die brandschutztechnisch nicht zu verantworten gewesen seien, über eine moderne Form der Fernwärmeversorgung mit Hilfe von Rohrleitungen und Wasserdampf nachzudenken.
Der Oberbaurat Julius Temper brachte ihm damals zumindest diese Idee nahe, ganz nach dem Vorbild amerikanischer Ingenieure. Im Einzugsgebiet der Kirche könne man schließlich ohne weiteres eine Art Heizzentrale errichten. Diese sollte der Kirche, dem Schloss samt Georgenbau, der Oper, dem Zwinger, der Gemäldegalerie sowie allen Gebäuden der Brühlschen Terrasse einschl. künftigem Landtagsgebäude und Polizeipräsidium die nötige Wärme zuführen. Kurzum, die Idee wurde in die Tat umgesetzt.
Dort in den zu beheizenden Gebäuden, wo bereits Feuerstellen existierten, konnte man diese bei der Gelegenheit dann auch gleich entfernen. Die neue Heizzentrale sollte bei der Gelegenheit auch den nötigen Strom an die entsprechende Umgebung mit liefern. Für 18 Gebäude standen im neuen Fernwärmekraftwerk zehn Doppelkessel à 200 qm Heizfläche zur Verfügung gestanden, um die nötige Leistung zu erbringen – im Endeffekt zwischen 8 und 16 MW. Beheizt wurde mit böhmischer Hartbraunkohle. Aus heutiger Sicht schon mal eine Spitzenleistung.
Abbildung: gemeinfrei; Ehemaliges Heizkraftwerk Dresden, Altstadt, 1906
Abbildung: gemeinfrei; Ehemaliges Heizkraftwerk Dresden, Altstadt, Zwinger, 1910
Schaut man sich den Bau auf alten Fotos oder Postkarten etwas genauer an, erinnert das Monument eher an einen muslimischen oder zumindest futuristischen Tempel als an ein schöndes Kraftwerk. Bei dem hohen Turm soll es sich angeblich um einen Kamin gehandelt haben.
Abbildung: gemeinfrei; das Fernheizwerk taucht auf sämtlichen Postkarten immer wieder auf. Der "Kamin" überragte praktisch alle anderen Bauten. Über dessen endgültige Höhe konnte ich bislang nichts finden.
Die Elbe bei Niedrigwasser 1905; im Hintergrund das Fernheizwerk wie ein Leuchtturm; Abb. gemeinfrei
Und jetzt anschnallen: Angeblich verfeuerte man ölige Putzlappen im Heizkraftwerk, um besonders fotogenen schwarzen Rauch für Fotos zu erzeugen. Den Rauch des Fernheizwerks wollte man auf diese Weise auf Fotos groß rausbringen. Solche Bilder findet man heute noch, allerdings könnte der Rauch auch genauso gut nachträglich rein retuschiert worden sein. Ich persönlich kann das anhand der Bilder nicht genauer überprüfen. Die Motivation für diese Vorgehensweise ist dennoch etwas befremdlich. Liebten die Einwohner schwarzen Rauch so sehr, weil er sie an die eigenen Emissionen ihrer Kamine in den Häusern erinnerte? Dämlicher geht es kaum.
Das Fernheizwerk von einer anderen Seite fotografiert;
Quellenlink, Aufnahme vor 1935, © SLUB / Deutsche Fotothek / Unbekannter Fotograf
Man achtete darauf, dass die Fassade aus Elbsandstein gefertigt wurde, um die Harmonie des Stadtbildes aufzugreifen, heisst es. Die Bauzeit des gesamten Komplexes betrug knapp 1,5-1,75 Jahre, was heute erst einmal nachgemacht werden muss. Die endgültige Fertigstellung sei 1901 gewesen. (Architekten: Lossow und Viehweger)
Von oben wie ein Tempel: Das Fernheizwerk in Dresden; Bildquelle, © SLUB / Deutsche Fotothek / Hahn, Walter
Westlicher Teil der Altstadt mit Fernheizwerk, Hotel Bellevue, Opernhaus, Zwingerteich m. Zwinger, Aufnahme 1924
Seltsamerweise wurde der Turm 1935 schon wieder abgetragen. Begründung: Man hätte ihn nicht mehr gebraucht, weil die Anlage dann lediglich als Umformerstation genutzt worden sei. Eine Bewahrung des ins städtische Gesamtbild passenden industriellen Schmuckstücks kam offenbar niemandem in den Sinn. Warum machte man sich beim Rückbau des Monumentes solch eine Mühe?
Die Sprengung der weiteren Gebäude erfolgte 1978. Übrig blieb am Ende nur noch der historische Fernwärmekanal zum Schloss.
Wieder einmal eine Story, bei der ein Turm lange vor dem Abriss des Gebäudes aus unerklärlichen Gründen entfernt wurde. Schaut man sich die Details dieses Bauwerks an, fällt es einem schwer zu glauben, dass die spitzen Vorrichtungen am Kamin und den Gebäudedächern ausschließlich dekorativen Zwecken gedient haben sollen.
Welche Technologien kamen in diesem architektonisch beachtlichen Monument zum Einsatz? Wurde uns hier wirklich alles erzählt?
Hier zum Abschluss nochmals eine weitere Ansicht aus einer anderen Perspektive; die Abbildung ist von 1902: