© Spurensucher - 08. August 2018

Seit 1.600 Jahren rostfrei: Eisensäule in Indien

Iron_Pillar_at_Qutub_Complex,_New_Delhi

Foto: Vivek Bhavsar, Iron Pillar at Qutub Complex, New Delhi, CC BY-SA 4.0


Sie gibt nach wie vor metallurgische Rätsel auf: Die eiserne Säule der Quwwat-ul-Islam-Moschee, die im Schatten der Siegelssäule Qutb Minar in Delhi (Indien) steht. Auch nach 1.600 Jahren zeigt sie kaum Ermüdungserscheinungen. Die Eisensäule trägt eine Inschrift, aus der hervorgeht, dass sie als Fahnenmast zu Ehren des hinduistischen Gottes und im Gedenken an den Gupta-König Chandragupta II (375-413 n. Chr.) errichtet wurde. Über ihn weiß man nichts Genaues: Sie beinhaltet eine Lobrede auf ihn, da er als äußerst hochrangig angesehen wurde. Es dauerte einige Jahre für das Studium der Inschrift bis zur endgültigen Übersetzung – obwohl es einige verschiedene Übersetzungen gibt, sind sie alle sehr ähnlich im Wortlaut. Die Inschrift spricht von einem erobernden König, der sein Volk mit Mut führte. Wer dieser König Chandra war und wie lange er schon regierte, scheint unbekannt zu sein.

 

QutbIronInscriptionDeeptrivia at English Wikipedia, QutbIronInscription, CC BY-SA 3.0

 

 

Selbst wie die Säule an ihren heutigen Standort kam, bleibt ein Rätsel. Die Säule besteht zu 98 Prozent aus Schmiedeeisen und hat 1.600 Jahre ohne Rost oder Zersetzung überstanden. Regen, Wind und Temperaturschwankungen konnten ihr bis heute nichts anhaben.

 

Man kann also schon mal vorausschicken, dass es sich hier um den Beweis einer hohen metallurgischen Kunstfertigkeit antiker indischer Eisenschmiede handelt. Obwohl man gleichzeitig keinerlei verbindliche Aussagen darüber treffen kann, wer sie zu welchem Zeitpunkt wirklich gebaut hat.

 

QtubIronPillarPhotograph taken by Mark A. Wilson (Department of Geology, The College of Wooster).

[1], QtubIronPillar, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

 

Immerhin handelt es sich um den größten "handgeschmiedeten" (?) Eisenblock der Antike, obwohl er neben der Siegessäule optisch untergeht. Sie wiegt etwa 6,5 Tonnen, während der Durchmesser von 30 cm (ganz oben) bis 42 cm (unterer Teil) variiert. Die Säule ist in Augenhöhe glatt und hochglanzpoliert. Die raue Oberfläche in Bodennähe ist offenbar auf uneffektives "Schweißen" (oder besser: Fügen) beim Schmieden zurückzuführen. Der obere Teil der Säule ist so hochglanzpoliert, dass er manchmal mit Bronze verwechselt wird.

 

Details_of_the_top_of_iron_pillar,_Qutub_Minar,_DelhiDennis Jarvis from Halifax, Canada, Details of the top of iron pillar, Qutub Minar, Delhi, CC BY-SA 2.0

 

Wie sieht es darunter im Erdboden aus? Beim Graben im Jahre 1871 zeigte sich ein knollenförmigen Sockel, ähnlich einer Zwiebel, an dem acht kurze dicke Stäbe befestigt waren. Der rauhere untere Bereich der Säule soll nach Aussage von R. Balasubramaniam (Abteilung für Werkstoffe und Metallurgie, Indian Institute of Technology, Kanpur) ohnehin einmal unter der Erde gelegen haben, was mir spontan einleuchtet. Außerdem stellt er fest, dass die Säule vorher woanders stand: Er verortet ihren ehemaligen Standort in der heutigen Udayagiri-Besnagar-Vidisha-Sanchi-Region, die eine der wichtigen Handelszentren und der religiösen Aktivitäten im alten Indien war – sogar schon vor den Guptas. Das würde auch erklären, warum man beim Umsetzen den unteren Teil des Schafts aus der Erde schauen ließ.

 

Seinerzeit war ein gewisser Aibak der Befehlshaber der Sklavenarmee von Muhammad Ghori von Ghazni, 1191 n. Chr. Er errichtete zwischen 1192 und 1199 n. Chr. die Quwwat-ul-Islam (Macht des Islam) Moschee, um seinem Sieg zu gedenken. Die Eisensäule steht derzeit im offenen Innenhof dieser Moschee – übrigens der ersten Moschee, die überhaupt in Indien gebaut wurde. Die Moschee wurde auf dem Fundament eines Tempels (der deutlich erkennbar ist) errichtet, für den einst Materialien aus 27 zerstörten Tempeln der näheren Umgebung herhalten mussten. Archäologische Beweise und Fakten basierend auf der Tempelarchitektur deuten darauf hin, dass die Metallsäule im ursprünglichen Tempelkomplex in Delhi gestanden haben muss, aber eben an einem anderen Ort als dem heutigen. Seit dem "Wiederaufbaus der eisernen Säule" nach der Zerstörung des Tempels liegt nun der untere Teil, der ursprünglich vergraben war, deshalb oberhalb der Erdoberfläche.

 

The_Iron_Pillar,_Kutab_Minar,_DelhiIndia Illustrated, The Iron Pillar, Kutab Minar, Delhi, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

 

Anhand der Aufarbeitung der Symmetrie und der Länge der Säule mutmaßt R. Balasubramaniam, dass sich oben auf der Säule ursprünglich noch eine Garuda-Statue befand – der legendären Vogel-Mensch-Kreatur aus der Hindu-, Buddhisten- und Jain-Mythologie. Möglicherweise fanden die Islamisten daran keinen Gefallen. Ob es sich wirklich dabei um eine solche Figur handelt ist fraglich. Andere Motive stünden ebenfalls zur Diskussion.

 

Warum sie rasten, aber nicht rosten – Überlegungen

 

• Befürworter der Umwelttheorie behaupten, dass das milde Klima von Delhi für die Korrosionsbeständigkeit der Eisensäule verantwortlich sei. In der Gegend würde die Luftfeuchtigkeit für längere Zeit im Jahr 70% nicht übersteigen, was korrosionstechnisch eben kaum Auswirkungen habe. Alternativ dazu ist auch schon mal zu hören: "… dass die Säule dem Rost aufgrund ihrer Schichtstärke widerstehen könnte, die es der Sonne erlaubt, die Säule tagsüber so zu erhitzen, dass der gesamte Regen bzw. Tau von ihrer Oberfläche verdunstet. Die akkumulierte Hitze könnte die Oberfläche auf diese Art auch nachts trocken halten …" Seltsam, dass so etwas dann nicht überall in den warmen (subtropischen und tropischen) Ländern so funktioniert.

 

• Metallurgen von Kanpur haben entdeckt, dass eine dünne Schicht (sie nennen sie "Misawit"), eine Verbindung aus Eisen, Sauerstoff und Wasserstoff, die Gusseisensäule vor Rost geschützt hat. Der Schutzfilm oder die Schicht nahm angeblich innerhalb von drei Jahren nach der Errichtung der Säule Gestalt an und sei seitdem langsam gewachsen. Nach 1.600 Jahren sei die Schicht allerdings nur noch ein Zwanzigstel Millimeter dick. Der Schutzfilm wurde katalytisch durch den hohen Gehalt an Phosphor im Eisen gebildet - und zwar bis zu einem Prozent gegenüber weniger als 0,05 Prozent im heutigen Eisen (Massenherstellung mit Koks). Der hohe Phosphorgehalt ist das Ergebnis des einzigartigen Eisenherstellungsprozesses der alten Inder. Die Theorie einer Haut mit antikorrosiven Eigenschaften klingt für mich plausibel.

 

Es heisst, die Inder seien die einzigen Menschen ihrer Zeit gewesen, die solch' schwere Schmiedeeisenstücke überhaupt herstellen konnten. Ihr Vorsprung war offenbar groß genug, dass die europäischen Schmiede diese erst mehr als tausend Jahre danach herstellen konnten. Offenbar wurde mit einem kohlebeheizten Öfen gearbeitet, die genug Hitze bzw. Temperatur erzeugten, um überhaupt zu solchen Ergebnissen zu kommen. Man darf sich fragen, wie man damals gearbeitet hatte, um so etwas hin zu bekommen. Wurden sie aus einem Guss produziert oder gar geschweißt … ?

 

Da ich kein Befürworter von Zufällen bin, glaube ich, dass ein Ausbleiben von Erosion und Korrosion auf überaus fortschrittliche metallurgische und fügetechnische Möglichkeiten hinweisen, die vor langer Zeit gang und gäbe waren. Der hohe Anteil an Phosphor, der geringe Schwefelgehalt und Reinheit des Materials, die hohe Kunst des Schmiede-Schweißens – all' dies sind für mich Faktoren, die keinen Zweifel an den technisch überlegenen Möglichkeiten der Vergangenheit aufkommen lassen.

 

Ich könnte mir gut vorstellen, dass hier aufkommende religiöse Erdrutschprozesse (Islam, Buddhismus etc.) dem alten Wissen den Garaus gemacht haben. Dieses wurde sicherlich unter der Ägide hochgekommener religiöser Despoten gekapert oder/und unter den Teppich gekehrt. Dies ist aber lediglich meine persönliche Einschätzung.

 

>> Zum PDF der Analyse von R. Balasubramaniam

 

Wen es interessiert, hier auch auch eine englischsprachige >> Studie über zerstörungsfreie Untersuchungen an einer weiteren Eisensäule in Kodachadri, Karnataka (ebenfalls Indien). Es handelt sich um die Eisensäule im Adi-Mookambika Tempel. Sie ist 8,7 m hoch, hat einen fast quadratischen Querschnitt und einen durchschnittlichen Umfang von 27,5 cm. Die Oberfläche der Säule ist nicht so glatt wie oben. Die oberen 1 m des Pfeilers zeigen eine übermäßige Korrosion, besonders an der Oberfläche, die nach Westen zum Arabischen Meer zeigt, das etwa 30 km entfernt liegt. Die in situ Metallographie an verschiedenen Stellen der Säule und die Rasterelektronenmikroskopie an einer kleinen Probe aus der Säule haben deutlich gezeigt, dass das Eisen durch den uralten, einheimischen Festkörperreduktionsprozess hergestellt wird, der zur Herstellung des sogenannten Adivasi (Stammes-)Eisens verwendet wird. Das Vorhandensein von Gleitlinien im Gefüge an verschiedenen Stellen deutet auf ein starkes Schmieden der Eisensäule hin. Der Phosphorgehalt in der Eisensäule ist deutlich geringer als bei den Eisensäulen in Delhi und einer weiteren in Dhar. Diese Säule hielt den jahrtausendealten Herausforderung der Witterung nicht ganz so stand …