© Spurensucher - 30. April 2019

Hambye: Abtei verwüstet, Burg beseitigt

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Auf meinen Streifzügen durch die Normandie möchte ich nicht diese eindrucksvolle Abteikirche unberücksichtigt lassen, die sich ein wenig im Hinterland befindet. Der Reiseführer lehrt uns, dass diese seinerzeit 1145 erbaut wurde. Man bezeichnet Notre Dame von Hambye im Fremdenführer als "primitive gotische Architektur".

 

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Eine beeindruckende Atmosphäre innerhalb der Abteikirche. Sie hätte sicherlich einiges zu erzählen, wenn sie sprechen könnte.

 

Tatsächlich handelt es sich um eine Ruine, denn es fehlt weitestgehend das Dach, Fenster und ein paar Wände, insbesondere im Eingangsbereich. Seltsamerweise wurde die Abteikirche angeblich 1810 durch kaiserliches Dekret verkauft und in einen Steinbruch umgewandelt. Die Fassade und ein Teil des Kirchenschiffs wurden abgerissen. Dasselbe gilt für zwei Säulen des Chors, was diesen mit der Zeit in Einsturzgefahr brachte. 1860 ließ der Bischof von Coutances zwei grobe Steinpfeiler "springen", um diesen Gebäudeteil zu retten. Mehr war offenbar von Seiten der Kirche damals nicht drin …

 

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Zahlreiche intakte Bögen; welcher Teil im letzten Jahrhundert renoviert wurde, lässt sich stellenweise erahnen. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts kümmerte sich die wohlhabende Familie Beck um die teilweise Restauration des baufälligen Gemäuers. 

 

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Was geschah dazwischen? Notre-Dame de Hambye und das angrenzende Klostergebäude wurden von Benediktinermönchen genutzt, jedoch rechtzeitig vor der französischen Revolution verlassen. Das Kloster profitierte bis ins 15. Jahrhundert von sprudelnden Einkünften: Mieten, dem Zehnten, von Spendern des Landes, generelle Kirchenumlagen ... man schöpfte aus dem Vollen. Angeblich folgten anschließend große Zeiträume des Niedergangs, was nicht weiter erklärt wurde und rechtzeitig vor der Entchristianisierung (französische Revolution) sollen die Mönche entgültig das Weite gesucht haben.

 

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Wikipedia äußert sich in dem Zusammenhang so: "Im 18. Jahrhundert wurde die Abtei schließlich geschlossen… während der Französischen Revolution (1789–1799) wurde das Kloster verkauft und dann für landwirtschaftliche Zwecke benutzt." Wie kommt es, dass sich nach der Rekonstitution der katholischen Kirche und seiner "Niederlassungen" niemand mehr von Seiten des Klerus für das Gemäuer und dessen Erhaltung interessiert hat? Wenn man sich die idyllische Lage des Anwesens anschaut, wundert man sich schon ein wenig, warum der Klerus das Anwesen nicht zurückgekauft hat.

 

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Einige Öffnungen wurden sorgfältig zugemauert.

 

 

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Haben wir es hier mit einer Türe oder eher einem weiteren Fenster zu tun? Oder war diese Türe nur deutlich größer? Ich tippe auf ein ehemaliges Fenster.

 

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Dieser Fensterbereich von außen zeigt mir deutlich, dass wir uns hier mindestens 2-3 Meter oberhalb des eigentlichen Abteisockels befinden. Ich für meinen Teil kenne sonst keine Kirche oder Kathedrale, deren gotisches Fenster nur knapp 50 cm über dem Boden beginnen.

 

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Auch hier kann man sehr gut erkennen, dass das Erdreich außen deutlich höher liegt als innen. Das Fenster beginnt hier bei etwa 40 cm Höhe oberhalb der Grasnarbe. Wieviel an Erdreich ist hier nötig, um den Außenbereich derart aufzufüllen? Hierüber ist absolut nichts in den historischen Aufzeichnungen vermerkt. Gab es hier eine Schlammflut oder ein anderes Naturereignis, was nicht weiter erörtert wurde? Nächste Aufnahme: Blick durch das selbe Fenster zur Erklärung, dass hier das Erdniveau weitaus niedriger ist. Mit sogenannten "Kulturschichten" kann dieses Phänomen nichts zu tun haben.

 

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Die Herrschaft von Hambye ihrerseits wurde im 19. Jahrhundert von Jeanne Paynel (eine anglo-normannische Adlige) an ihren Mann Louis d'Estouteville, einen glorreichen Verteidiger des Mont Saint-Michel, weitergegeben. Dann geht sie unter der Schirmherrschaft der Abtei an die Adelshäuser von Orléans-Longueville, später Matignon-Grimaldi, die Prinzen von Monaco werden. Das erklärt auch das Schild am Eingang dieser Abtei. In Bezug auf die Entwicklung der Burg spielt dieser Prinz eine etwas zwielichte Rolle, da er angeblich auch deren Abriss befohlen hatte, wie wir weiter unten noch sehen werden.

 

Für meine Begriffe gibt es hier zahlreiche weiße Erklärungsflecken, insbesondere, wenn man sich das Gemäuer einmal näher anschaut. Hier handelt es sich sicherlich um kein "Einzelschicksal", wenn man beispielsweise an die Abtei Jumière denkt, die ich später ebenfalls besuchen werde.

 

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Hier im oberen Bild sind für meine Begriffe bis in die ehemaligen Dachregionen hin Brandspuren vorhanden, die historisch nicht belegt wurden.

 

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Ich für meinen Teil sehe entlang der Außenmauern bis in die oberen Bereich hin Brandspuren. Woher diese stammen ist ungewiss und auch nicht Gegenstand von mir recherchierter weiterer Aufzeichnungen. Sorgsame Abriss-Spuren zur Nutzung der Steine sehen für mich anders aus.

 

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Unterirdisch geht´s weiter. Man spricht davon, dass archäologische Fundamentausgrabungen vorgenommen wurden. Ich schätze, dass wir es hier im nachstehenden Bild ebenfalls mit aufgeschütteter Erde zu tun haben, die weitere Mauerreste freigeben würde, wenn man hier mit der Arbeit fortfährt. 

 

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Restlos beseitigt: Das Chateau

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Ch. de Vauquelin, Ruines du château de Hambye, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Atlas de la Société des Antiquaires de Normandie

 

Auch die Geschichte des benachbarten Chateau de Hambye ist ebenso rätselhaft, da diese praktisch von einem Moment auf den anderen verwüstet wurde und hier niemand eine ordentliche Erklärung für diesen Umstand parat hat. Nicht einmal eine Ruine zeugt von der Existenz dieser Burg, die Anfang des 19. Jahrhunderts komplett verschwand. "Hambye Castle war eine der größten, schönsten und am besten gelegenen im Département. "[5] Zitat Gerville, 1826. "Leider wurden seine Überreste 1830 im Volksjubel beseitigt!!.." (weitere Beschreibungen s.unten).

 

Hier einige übersetzte Quellen aus der Vergangenheit zum Verbleib des Schlosses:

"Es gab einmal in Hambye, sagen die Geschichtenerzähler der Mahnwache, drei Prinzessinnen, drei Schwestern, die eine große Erinnerung an ihre Macht auf Erden hinterlassen wollten. Der Älteste baute die Abtei, deren Standort Octave Feuillet zu Beginn von La Petite Comtesse inspirierte. Der zweite baute das Schloss, dessen Legende von Auguste Vaquerie erzählt wurde, unter dem Dach von Victor Hugo in Guernsey, in Les Miettes de l'Histoire. Der Dritte grub den herrschaftlichen Brunnen, "der in die andere Welt hinabging. » [1] Das Ganze hört sich zunächst äußerst rätselhaft an, besonders die mystische Beschreibung des Brunnens.

"Von der mittelalterlichen Burg der Herren von Hambye (der Friedliche), Begleiter von Wilhelm dem Eroberer in der Schlacht von Hastings, deren letzte Erbin, Jeanne Paisnel, mit Louis d'Estouteville, Kapitän und heldenhafter Verteidiger von Mont-Saint-Michel während des Hundertjährigen Krieges verheiratet war, ist nichts mehr übrig. Die Braut ist selbst die Tochter von Guillaume Paisnel, dem ehemaligen Kapitän von Mont-Saint-Michel. » [2] … alles Adlige übrigens.

"Sie (die Burg) zog nicht mehr die Aufmerksamkeit ihrer Besitzer auf sich und wurde daher ab 1730 allmählich abgerissen – … der Stadtrat war dafür verantwortlich, die bemerkenswertesten Elemente zu entfernen, indem er den Bergfried und den Moyon-Turm sprengte. Die Zeitung "L'Echo du département de la Manche" vom 11. April 1830 berichtet: "Antiquitätenhändler werden mit Bedauern erfahren, dass der letzte Turm von Schloss Hambye am Dienstagnachmittag um 14 Uhr abgerissen werden musste. Der lokale Trommler und Nachrichtenbote hatte es in der Woche zuvor angekündigt, und die Menge feierte, als zwölf Minen benutzt wurden, um das alte Gebäude gleichzeitig niederzureißen. " [3] Eine äußerst seltsame Überlieferung … schon alleine aufgrund der überlieferten Schönheit dieser Burg.

 

Hierzu auch noch eine weitere Beschreibung der Ruine vom Beginn des 19. Jahrhunderts:

Das Schloss Hambye war eines der größten, schönsten und am besten gelegenen in der Abteilung: Seine Mauern waren zu Beginn der Revolution noch intakt; der Bergfried und ein weiterer Turm, die heute noch existieren, reichen noch aus, um eine gute Vorstellung von dieser Festung zu vermitteln.
Seine Lage dominiert majestätisch das Dorf Hambye. Auf allen Seiten sind seine Ruinen sehr malerisch. Der Turm ist sehr gut erhalten (Das wurde 1823 berichtet. Rückblickend im Dezember 1825 existierte dieser nicht mehr). Unter allen alten Burgen des Landes haben wir keine vergleichbare. Die schöne Erhaltung dieses Turms, seine Höhe, die Zinnen(?), die seine Spitze krönen, machen es zu einem perfekten Objekt für einen Designer. Dieser Turm ist der modernste; ich wäre nicht überrascht, wenn er von Louis d'Estouville und Jeanne Paisnel, seiner Frau, fertiggestellt worden wäre, deren Pracht in all ihren Gebäuden, insbesondere in Hambye, bemerkenswert ist. Der Brunnen dieser Burg ist außerordentlich breit und tief, er wurde mit so viel Aufwand und Arbeit in den Felsen gegraben, dass die Kosten nach örtlicher Tradition so hoch waren wie der Bau des prächtigen Chores der Abteikirche.
Der Bergfried ist quadratisch: er ist mindestens hundert Fuß hoch; er wird von Türmen flankiert, von denen der bedeutendste derjenige ist, der die Treppe enthält. Unter dem ersten Treppenabsatz befindet sich ein Raum, der wahrscheinlich als Zisterne genutzt wurde.
Die Kapelle befand sich im Erdgeschoss dieses Turms. In den oberen Stockwerken befindet sich jeweils eine einfache Wohnung, solide und ohne Leisten oder Dekorationen. Alle diese Wohnungen sind gewölbt.
Oben befindet sich eine recht geräumige Plattform. Die Burgfriede befinden sich an den vier Ecken dieser Plattform; sie ragen heraus und werden von Konsolen getragen. Die Krönung dieses Turms ist noch sehr vollständig; seine Zinnen und Konsolen sind von schöner Wirkung.
Ein weiterer Turm, ebenfalls gut erhalten, ist völlig rund. Äußerlich ist er mit Borden verziert, die die verschiedenen Stockwerke markieren. Die Spitze dieses Turms ist abgerissen; im Inneren gibt es keine Gewölbe oder Böden. [4]

 

Also alles in allem eine Mischung aus Verwahrlosung, Revolution und finaler gründlicher Abrisswut? Ich persönlich finde diese Entwicklung für ein einst so gelobtes Bauwerk recht rätselhaft.

 

Eine Restitutionsprüfung Ende der 1930er Jahre soll folgendes ergeben haben: Ihr Verschwinden fand in zwei Schritten statt: In den 1730er Jahren ließ Jacques-François-Léonor de Matignon -Grimaldi, Prinz von Monaco - und entfernter Erbe der Estouteville - die meisten Gebäude niederreißen und ließ nur den Burgfried und den sogenannten Moyon-Turm zurück, der 1805 an Jeanne Godeuil und Thomas Grente verkauft wurde.

1820 schlug die Witwe Grente den Kauf beim Stadtrat vor, der beim Präfekten von La Manche einen Zuschuss von 1.000 Franken beantragte. Vor dem Hintergrund des ungünstigen Berichts eines Abteilungsarchitekten van Cléampatte, der in den Ruinen des Schlosses (und der benachbarten Abtei) nichts Außergewöhnliches fand und vorschlug, Zeichnungen anzufertigen, um sein Andenken zu bewahren, lehnte der Präfekt die angeforderte Hilfe ab. Der Bergfried wurde daher 1825 zerstört, der Moyon-Turm 1830. Was die Abtei betrifft, so rettete sie nur ihre Isolation vor dem gleichen Schicksal. [5]

 

Haben wir es hier also wirklich mit lapidarer Verwahrlosung und den üblichen Anführungen zu tun? Bemerkenswert für mich ist in diesem Zusammenhang, dass wichtigte Zeiträume kaum bis gar nicht recherchierbar sind. Insofern sind für mich die Zeiträume vom 16.-18. Jahrhundert von großer Bedeutung. Ich werde in anderen Beiträgen nochmals darauf zu sprechen kommen. Haben wir es hier eventuell mit bewussten Verschleierungen zu tun? Sind hier unter Umständen ganz andere Kräfte am Werk gewesen als die üblich zitierten Revoluzzer in der Zeit der "Aufklärung"?

  

 

Quellen (u.a.):

 

[1] Extrait des Mémoires de la Société académique du Cotentin : archéologie, belles-lettres, sciences et beaux-arts, tome 14, 1898 http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5658254j

[2] Extrait de wikipédia

[3] Extrait de La voix du patrimoine de Sienne, 2013, No 63.

[4] Auszüge aus den Memoiren der Gesellschaft der Antiquariate der Normandie, 1824: Auf den alten Burgen des Departements Manche, an den Grafen d'Estourmel gerichtet, Präfekt dieses Departements; von Herrn de Gerville (Verlesen in der Sitzung vom 3. April 1826.)

[5] Extrait de https://www.cairn.info/revue-annales-de-normandie-2012-2-page-277.htm#re4no4

 

 

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